Da alle meine Bilder einmal am Leben waren, habe ich beschlossen, hier niederzuschreiben, wo sie herkamen.
Als ich sechs Jahre alt war, habe ich gelernt, wie man eine Karotte malt. Ich saß am Esstisch und wollte meiner Mutter beim Kochen zusehen wie immer, da legte sie mir Schneidebrett und Messer vor. „Jetzt lernst du mal, wie man ein bisschen arbeitet“, sagte sie so daher. Ganz vorsichtig schnitt ich eine Karotte und war ganz merkwürdig interessiert daran, wie es da drinnen denn aussah, obwohl ich in meinem kurzen Leben schon genug Karotten gegessen hatte und das eigentlich wissen müsste. Aber das war anders. Ich war in Studierlaune und hab mich auch etwas schmutzig gefühlt bei der Sache. Zweifelsfrei kommt meine Lust, Karotten und sonstiges Gemüse zu malen, von diesen Tagen mit meiner Mutter.


Als ich acht Jahre alt war, habe ich gelernt, wie man eine Sonnenblume malt. Ich war mit ein paar Freundinnen bei einem Hügel spielen, am liebsten rollten wir gemeinsam die helle Seite herunter und stoppten dann kurz vor einem großen Sonnenblumenfeld. Aus irgendeinem Grund bin ich weitergerollt und fast ins Feld geraten. Mir ist nichts passiert, aber ich sah, dass der Stängel einer Blume ziemlich geknickt war, ich fühlte mich schon schuldig. Die anderen kamen und als ich ihnen die kaputte Pflanze zeigte, sagte eine, ich könne sie doch einfach mitnehmen, dann merkt niemand was. Also habe ich die Sonnenblume einfach rausgerissen und wir haben uns weggeschlichen. Ich mochte meine große Sonnenblume schon sehr, nur leider war bei uns Zuhause gar kein Platz für die, sodass ich sie bloß im Garten auf die Erde gelegt habe, weil das ja zusammenpasst, dachte ich. Jeden Morgen konnte ich von meinem Fenster aus sehen, wie die Blume immer mehr verwelkte und schließlich im Kompost landete. Deswegen habe ich dann ganz viele Sonnenblumen gemalt, um was Schönes draus zumachen. Das war eigentlich keine Übung, ich habe immer nur meine Sonnenblume gemalt und es gelang mir schon beim ersten Mal sehr gut.

 

Als ich sechzehn Jahre alt war, habe ich zum ersten Mal mich selbst gemalt, aber ob ich was gelernt habe, weiß ich nicht. Es war kurz nachdem mein erster Freund mich verlassen hatte. Ich wäre am liebsten geplatzt, aber in Wirklichkeit bin ich nur langsam auseinandergefallen. Dann kam der Impuls zum Malen, ohne dass ich dabei nachdenken musste. Wie im Rausch. Bloß als es zu Ende war, hat mich das Ergebnis sehr abgeschreckt. Auf der Leinwand waren zwei Frauen, beide ich, und sie sahen in entgegengesetzte Richtungen. Keiner kennt das Bild, ich habe es in den Keller gestellt. Wenn ich Glück habe, wachsen Ranken darüber und ich muss es nie mehr sehen. Nicht, dass das etwas bringen würde.